Stasi-Gelder in Österreich

von Peter Muzik 22.04.1998

Ein deutscher Journalist enthüllt, daß viele Millionen Mark aus der ehemaligen DDR nach Wien verschoben worden und hier auf mysteriöse Weise versickert sind. Im Mittelpunkt der Affäre steht die KPÖ.

Ex-Kanzler Franz Vranitzky, der frühere FP-Chef Norbert Steger und Wiens Altbürgermeister Helmut Zilk, aber auch Hannes Androsch, Bawag-Chef Helmut Elsner und der Steuerberater-Doyen Franz Burkert dürften mit einem soeben erschienenen Buch keine rechte Freude haben: Sie werden darin, wenn auch nur am Rande, in durchaus brisanten Zusammenhängen namentlich genannt - als Bekannte, Ratgeber oder Förderer von einigen illustren Personen, die in dem Buch zentrale Rollen spielen.

Der deutsche Journalist Andreas Förster befaßt sich in seinem Werk "Auf der Spur der Stasi-Millionen" beispielsweise mit der bereits legendären "Roten Fini" - Rudolfine Steindling führt(e) im einst blühenden, aber bis heute noch nicht verblühten Firmenimperium der KPÖ unangefochten Regie. Der Autor widmet auch Martin Schlaff seine Aufmerksamkeit, dem Kopf einer anderen kunstvoll verschachtelten Unternehmensgruppe, und er hat obendrein dem Boß der in der Donaumetropole ansässigen russischen Firma Nordex, Grigori Loutchansky, oder dem Wiener Rechtsanwalt Harry Neubauer jahrelang hinterherrecherchiert.

Neben diesen Herrschaften geht es um die einstigen Stasi-, SED- und andere Ex-Drahtzieher aus der DDR: etwa um Alexander Schalck-Golodkowski, den früheren Chef des Devisenbeschaffungsimperiums Kommerzielle Koordinierung (KoKo), um Markus Wolf, den Ex-Boß des DDR-Auslandsgeheimdiensts HVA, oder um Günter Forgber, einen der wichtigsten DDR-Geschäftemacher, der in Wien gerne in Udo Prokschs legendärem Club 45 verkehrte und Kontakte zu hochrangigen Politikern unterhielt.

10 Milliarden sind weg

Andreas Förster hat es sich zum Ziel gesetzt, den Weg der verschwundenen Stasi-Gelder nachzuspüren. Seit der Wiedervereinigung im Oktober 1990 gehen deutsche Ermittlungsbehörden insbesonders den Spuren nach Wien nach. Im Vorjahr nahm sich selbst Kanzler Kohl des veruntreuten DDR-Vermögens an und erhob es zur Causa prima.

Um welche Dimensionen geht es dabei? In der Wendezeit und während des Auflösungsprozesses der Stasi seien laut Förster-Informanten knapp zehn Milliarden Mark aus dem Staatshaushalt abgezogen und somit ergaunert worden. Der Autor spricht von Scheingeschäften, gefälschten Verträgen, Betrügereien mit Transferrubeln und fiktiven Provisionsforderungen. Bereits seit 1988 habe sich die Stasi, speziell die Hauptverwaltung A, also der DDR-Auslandsgeheimdienst, auf den "Fall der Fälle" vorbereitet: Im In- und Ausland seien von Strohmännern Häuser und Grundstücke erstanden, bei diskreten Bankinstituten schwarze Konten eröffnet und vertrauenswürdige Kontaktpersonen im Westen für delikate Aufgaben verpflichtet worden. In der Wendezeit 1989/90 ist darüber hinaus auf der Basis der vorhandenen wirtschaftlichen Allianzen mit westlichen Geschäftspartnern ein verschlungenes Firmennetz entstanden. Hunderte Millionen Mark und wertvolles Sachvermögen seien auf zahllose Konten und Schließfächer aufgeteilt worden, die loyalen Treuhändern zur Verwaltung übergeben wurden.

KPÖ siegt

Riesige Summen davon hat man nach Wien dirigiert oder auf Konten, die österreichische Geschäftsleute in der Schweiz und Liechtenstein unterhielten. Die Ost-Berliner Agentenzentrale hatte längst, nämlich bereits seit den Fünfzigerjahren, ganz gezielt auf die österreichische Hauptstadt gesetzt und beispielsweise in den Strohmännern, die im Dienste der Kommunistischen Partei Österreich zahlreiche Tarnfirmen aufgebaut hatten, wichtige Geschäftspartner gefunden.

Die KP-Chef-Treuhänderin Rudolfine Steindling hatte zum Beispiel im Jahr 1978 die Hälfte der Anteile an der Ost-Berliner Novum übernommen, die ihr fünf Jahre später angeblich schon zur Gänze gehörte. Sie vertrat Firmen wie Bosch, Ciba-Geigy, Voest-Alpine und Steyr-Daimler-Puch in der DDR und brachte es allein in den Achtzigerjahren auf Provisionseinnahmen in Höhe von 117 Millionen Mark. Das vierjährige Gerichtsverfahren um die wahren Besitzverhältnisse der Novum - gehörte sie der KPÖ oder war sie eine getarnte SED-Firma? - endete vorerst mit einem Sieg der Österreicher. Das Verwaltungsgericht Berlin ist in erster Instanz zur Überzeugung ge-langt, daß die Anfang 1992 von der deutschen Treuhand-Anstalt konfiszierte Novum der KPÖ gehört hatte. Wenn dieser spektakuläre Prozeß in Deutschland und ein weiterer in Zürich auch nach der Berufung in diesem Sinne, also pro KPÖ, ausgehen, wäre die Wiener Mini-Partei um etwa 1,3 Milliarden Schilling wohlhabender.

Andreas Förster indes ist überzeugt, daß die Novum in Wahrheit der SED gehört hat, und attestiert Steindling, daß ihr "ein Verwirrspiel allererster Güte" gelungen sei. Sie hat etwa im Jahr 1991 hunderte Millionen Mark so geschickt zwischen Konten der damaligen Länderbank in Wien und Zürich hin- und hergejagt, daß bei diesen umstrittenen Transfers jegliche Spur verwischt wurde; nur ein Nummernkonto wurde dabei "übersehen", sodaß die dort geparkten 230 Millionen Schilling Anfang 1994 eingezogen werden konnten. Ein enger Partner Steindlings war der Ost-Berliner Geschäftsmann Günter Forgber. Er hatte der Stasi seit 1965 unter dem Decknamen "Martin" gedient und stets eng mit der von Schalck-Golodkowski geleiteten Kommerziellen Koordinierung (KoKo) zusammengearbeitet. Forgber, der in Wien und Zürich gemeinsam mit Steindling die Firma Exportcontact betrieben hat, war laut Förster primär als "Schaltstelle für nachrichtendienstliche Operationen" eingesetzt und für die Beschaffung von Waffen und Hochtechnologie zuständig, die unter das CoCom-Embargo fiel. Er hat das Firmenvermögen rechtzeitig vor der Liquidierung der Firma auf Privatkonten in Sicherheit gebracht, ehe er beim Bundesnachrichtendienst über seine Austria-Connections auspackte. Anfang Jänner 1992 wurde Forgber verhaftet, weil das Gericht befand, daß seine Unternehmen zu DDR-Zeiten Staatseigentum waren; daraufhin zahlte er 35 Millionen Mark an die Treuhandanstalt und bekam eine Bewährungsstrafe wegen Untreue. Die Wirtschaftspolizei ließ daraufhin in Wien die Forgber-Konten öffnen, beschlagnahmte die gefundenen Sparbücher und leitete sie an die Bundesrepublik weiter. Forgber ist Anfang 1995 spurlos verschwunden - so wie auch viele Stasi-Millionen ...

Morgen im WirtschaftsBlatt: Die schillernde Karriere von Martin Schlaff.

Buch zum THEMA

Heiße Spuren führen nach Wien

Andreas Förster, Reporter bei der "Berliner Zeitung" und journalistisch auf internationale Geheimdienste spezialisiert, hat ein spannendes Buch fertiggestellt: "Auf der Spur der Stasi-Millionen" - Untertitel: "Die Wien-Connection" - ist soeben im Argon Verlag, Berlin, erschienen. Der Autor schildert darin auf 290 Seiten, was nach der rasanten Herbstrevolution 1989 in der ehemaligen DDR aus den geheimdienstlichen Strukturen geworden ist.

Intimfreunde

Zahlreiche Spuren, die Förster verfolgt hat, führen nach Wien: Hier gibt es Firmen, Bankkonten und etliche Kontaktpersonen, die in engem Zusammenhang mit der einstigen DDR stehen - Geschäftsleute, Anwälte, Strohmänner und Geheimdienstler. Auch Namen, die jeder kennt, kommen vor - wenn auch nur am Rande: So zum Beispiel soll Franz Vranitzky in seiner Funktion als Länderbank-Chef zwischen 1981 und 1984 "stets ein offenes Ohr für die diskreten Wünsche von Stasi-Konfidenten" gehabt haben. Hannes Androsch habe gemeinsam mit den Söhnen von DDR-Ex-Minister Gerhard Beil 1989 eine Consultatio-Filiale gegründet. Der Wiener Konzernchef Martin Schlaff, den Förster ausführlich beschreibt, pflegte Kontakte erster Güte: Der ehemalige Vizekanzler Norbert Steger sei sein "politischer Lobbyist", der Steuerberater Franz Burkert ebenfalls in seinem Dunstkreis tätig, Bawag-Chef Helmut Elsner zähle zu Schlaffs einflußreichem Freundeskreis und auch Altbürgermeister Zilk sei sogar ein "Intimfreund", der Schlaff 1993 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen habe.

Der DRAHTZIEHER

Alexander Schalck-Golodkowski war als Boß der Kommerziellen Koordinierung oberster Devisenbeschaffer der DDR und die zentrale Figur im Hintergrund der undurchsichtigen Stasi-Geschäfte. Er konnte sich als Günstling von Stasi-Minister Erich Mielke einen eigenen Geheimdienst aufbauen. Später warf ihn das ZK aus seinen geheiligten Reihen. Im Jänner 1996 wurde Schalck-Golodkowski in Berlin wegen illegaler Waffengeschäfte zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.

Bildtext: Rudolfine Steindling war und ist der Kopf des gut getarnten Firmenimperiums der KPÖ: Sie hat im Teamwork mit DDR-Bonzen jahrelang geschickt mit hunderten Millionen jongliert

Causa Novum: Die KPÖ pokert um eine Firma, die der SED gehört haben soll

Anmerkung:  Andreas Förster und Maik S. Förster sind nicht verwand und kennen sich nicht.