Aktuelles

2015-08-02

Bericht über unsere Arbeit mit Asylbwerbern

Die ersten Asylbewerber in Oberlichtenau – aus der Sicht von Maik S. Förster

Aus Datenschutzgründen schreibe ich dies erste heute am 2.8.15. und ohne Namen.

Vorgeschichte:

Seit 2009 habe ich im Kreistag Bautzen versucht, auf die kommende Flüchtlingswelle hinzuweisen. Anträge zur dezentralen Unterbringung nach Bevölkerungsschlüssel in den Städten und Gemeinden mit gleichzeitiger Zuordnung zu den kommunalen Bauhöfen wurden mehrheitlich abgelehnt.

Lediglich der Antrag „Rückführung in Würde“ wurde mit 16:15 angenommen. Damit sollte ein Weg zur freiwilligen Heimkehr eröffnet werden.

Seit Januar 2014 habe ich im Kreistag Bautzen auf den § 5 AsylBLG hingewiesen und erneut auf die Zuordnung von Asylbewerbern in Kommunen und Vereinen hingewiesen.

Durch den fast kompletten Wegfall der Möglichkeit, für Vereine und Kommunen geförderte Arbeitskräfte zu bekommen, sah ich auch für den CV Oberlichtenau e.V. und als Stadtrat der Stadt Pulsnitz die Chance, auf diesem Wege Mitarbeiter zu bekommen und gleichzeitig die Akzeptanz von Flüchtlingen vor Ort zu erhöhen.

Der CV Oberlichtenau e.V. hat Geld gesammelt, um das Busgeld und die Aufwandsentschädigung für einen arbeitwilligen Asylbewerber zu bezahlen.
Anträge an das Landratsamt, das Asylbewerberheim in Kamenz und die Ausländerbeauftragte, sogar Besuche und Gespräche im Heim verliefen allesamt ergebnislos.
Es kam trotz Zusagen niemals ein Asylbewerber nach Oberlichtenau. Sogar ein Asylbewerber Ticket für den ÖPNV habe ich mit dem VVO angedacht und ausprobieren wollen.

Notunterkunft Großröhrsdorf:

Im November / Dezember 2014 spitzte sich die Situation im Notaufnahmelager Großröhrsdorf zu. Der Landrat Harig hat den Freizug des Heimes bis Weihnachten 2014 versprochen. Unser Verein sah darin die Chance, jetzt Asylbewerber direkt in die Ferienwohnung des Vereins zu bekommen und damit beweisen zu können, dass bei dezentraler Unterbringung eine Mitarbeit im Verein möglich ist.

Die Ausländerbehörde des Landkreises hat unsere extra neu möblierte und gemalerte Unterbringung besichtigt und für gut befunden. Tatsächlich durfte ich mit meinem alten Bulli nach Großröhrsdorf fahren und 3 Männer aus Marokko abholen. Kurz vorher haben wir noch eine Flatrate für Internet und einen kompletten PC mit Lautsprecherboxen installiert, damit unsere Asylbewerber fest voreingestellt auf arabisch Radio Casablanca hören konnten, den Deutschkurs der Deutschen Welle anwählen konnten und das arabische Programm des Evangeliums Rundfunk auswählen konnten.

Mit Spannung bin ich zur Asylbewerber - Not -Unterkunft Großröhrsdorf gefahren. Da ich als Touristiker seit 25 Jahren mit Menschen aus aller Welt zu tun habe und ganz viele Besuche in muslimischen Ländern insbesondere arabischsprachigen erleben durfte, habe ich keinerlei Berührungsängste mit Fremden. Es sei an dieser Stelle gesagt, dass ich bisher mehrheitlich gute Erfahrungen gemacht habe.

Drei allein reisende Männer:


Unsere drei Asylbewerber standen schon bepackt mit Tasche und Pfanne (es gibt so eine Erstausstattung von Küchengegenständen) genau so erwartungsvoll wie ich da. Es mussten noch Papiere fertig gemacht werden und es ging los:

Ich dachte, da fahre ich doch erst einmal zum Dönermann, damit es ein kleines Willkommensessen gibt. Meine drei Marokkaner waren völlig entsetzt, dass der Dönermann kein Halal Fleisch hatte –sie nannten es „Schwein“ und versuchten mir zu erklären, dass wir in Europa alle am Krebs sterben würden, weil wir Tiere nicht muslimisch schächten. Einer von den Dreien konnte bereits hervorragend Deutsch – es stellte sich heraus, dass er wegen einem guten Anwalt bereits 9 Jahre (!!!) auf Asyl in Deutschland war. Er erklärte mir dann im Auftrag der anderen zwei: „Maik! – hast du Frau ? – nicht zum Spaß !– richtig zum Heiraten und richtig zum Kinder machen! „ So eine klare Ansage kann man sich wörtlich merken. Es kam gleich eine zweite: Hast du Schaf? Wir wollen mal was richtiges essen und er zeigte mit der Hand an seinem Hals „Zzzrrrrrrk“. Nun ist mir klar, dass nicht jedes verschwundene Schaf dem Wolf in die Schuhe geschoben werden kann…

Jetzt ging es ans Einkaufen – die drei Männer kannten sich sehr gut aus – Alkohol und Zigaretten waren tabu. Da dachte ich so: das ist für unsere Unterkunft gut.

Nun ging es zum Einwohnermeldeamt nach Pulsnitz. Das größte Problem bestand darin, das Herkunftsland Marokko im Computer zu finden. Wenn ich mich recht entsinne, klappte es dann unter „I“ wie „Islamisches Königreich Marokko“ oder einer ähnlichen Kombination ohne „M“. Nun waren die drei Pulsnitzer Bürger. Bei der Anmeldung wurden die Daten auch gleichzeitig an die GEZ gegeben, die bis heute im Monatstakt Mahnungen an die drei schickt, diese liegen nun immer mal im Vereinsbriefkasten.

Angekommen in Oberlichtenau stellten die drei sofort fest, hier ist nichts los wir wollen in eine Stadt. Die Kleinstwohnung gefiel ihnen – aber in „bereits gebrauchte Betten“ wolle man sich nicht legen. Sie hätten bisher immer neue, eingeschweißte bekommen. Ich habe ihnen erklärt, dass alle unsere Gäste in frisch gewaschenen Betten schlafen, und wenn es nicht gefällt, ich gleich zurück nach Großröhrsdorf fahre.

Nun wollen sie sofort nach Kamenz gebracht werden, denn mit dem Einwohnermeldeschein könne man Urlaub vom Asyl beantragen und die Behörde macht gleich zu. Ich habe sie nicht gefahren sondern auf den Linienbus verwiesen. In der Nacht riefen sie dann an, ich solle sie in Pulsnitz abholen, denn es fährt kein Bus mehr. Ich habe gesagt, genau so geht es allen Oberlichtenauern um diese Zeit. Die Wanderung beträgt 30 Minuten und morgen gibt es Fahrräder. Interessant war, dass zwei der drei nicht mehr wieder kamen sondern 3 Wochen in Asylurlaub gingen. Der Dritte nahm die Fahrräder, wollte noch ein zusätzliches Schloss für die Haustür und den Kühlschrank getauscht bekommen mit Gefrierfach. Kein Problem, wir haben alles realisiert. Er war sichtlich zufrieden und freundlich.

Mithilfe Im Verein:

Ich habe ihn mit auf den Scheunenbau des Vereins genommen. Ich habe ihm gezeigt, wie das Anschrauben von Dielen geht und er hat es sehr gut gemacht. Nach 6 Stunden habe ich ihm den gesetzlich vorgeschriebenen Verdienst ausgezahlt. Auf die Quittung hat er „not gut“ geschrieben – unter 9 Euro / h kommt er nicht wieder. Trotz aller Bemühungen kam er tatsächlich nicht mehr zum Arbeiten. Zwischenrein kam die Diskussion von einem Anwalt der Asylbewerber auf, dass diese nicht versichert seien, wenn sie sich z.B. die Hand absägen. Nachfrage bei unserer BG für Verwaltung ergab zunächst großes Staunen, da diese Frage, ob Asylbewerber versichert sind, dort noch nicht gestellt wurde Tage später haben wir dann die Antwort bekommen, dass Asylbewerber im Verein beitragsfrei versichert sind und im Falle eines Arbeitsunfalls und der Abschiebung im Herkunftsland auf Kosten der BG behandelt würden. Das Landratsamt Bautzen hat uns zu vestehen gegeben, dass wegen der Gleichsetzung mit Hartz IV sogar eine Pflicht zur Aufnahme solcher Tätigkeiten bestehen würde und Leistungen wie bei Deutschen bei Nichtantritt gekürzt werden könnten. Heute wissen wir, dass diese gute Recht gegenüber Asylbewerbern aktuell NICHT durchgesetzt wird. Damit war das Projekt „Mithilfe im Verein“ zumindest mit diesen Dreien gescheitert.

Weitere Integrationsbemühungen:


Ich habe diesen einen verbliebenen Asylbewerber Weihnachten mit nach Hause zum Entenbraten genommen, nach Pulsnitz und Oberlichtenau in die Kirche, zur Musik und zum Krippenspiel. Auch bin ich mit ihm zum Silvesterlauf gerannt – er war viel, viel schneller als ich.

Auch gab es das Angebot von zwei Lehrerinnen, den
Asylbewerbern Deutschstunden zu geben. Nach einem ausgiebigen Gespräch der Pädagogen mit den Asylbewerbern kam dies dann nicht zustande.
Der Versuch der Lehrerinnen, die Asylbewerber in den Jugendclub oder die Sportgemeinschaft einzubinden misslang, weil die Vereine das nicht wollten.

Die Asylbewerber waren wenig da, die Fahrräder waren oft in Pulsnitz eingestellt. Sie haben berichtet, sie seien in Dresden in einer Moschee. Einer von den dreien hat zwischenzeitlich im Ruhrgebiet geheiratet.

Post aus Chemnitz:


Zwischenrein kamen Einschreibebriefe des Landesamtes für Asyl. Geschrieben in Deutsch und zwar so, dass ich diese als Deutscher mehrfach lesen musste, ehe ich diese verstand. Wie soll das ein Asylbewerber schaffen? Ich habe dann dort angerufen, ihnen alles erklärt und gefragt, warum man nicht auf arabisch schreibt. Man hätte momentan keinen Dolmetscher. Nun ist auch mir klar, warum ein Asylverfahren so lange dauert.

Auf Nachfrage beim Landratsamt, was denn zu tun ist, wenn Einschreiber-Briefe kommen und die Asylbewerber sind seit Tagen nicht da und wir uns Sorgen machen – Sinngemäße Antwort: Abwarten, sobald es Geld gibt, sind diese erfahrungsgemäß wieder da. Exakt so war es.

Die Asylbewerber sind seit Mitte März umgezogen in das Spreehotel nach Bautzen. Amtliche Post aus Chemnitz kommt immer noch.


Abschied:

Die Aufenthaltsdauer war vorher so vereinbart, weil unsere Ferienwohnung dann wieder unseren Gästen und Referenten zur Verfügung steht. Für den Verein war dies prima, weil sonst die Ferienwohnung im Winter nicht ausgebucht ist.

Die Asylbewerber haben sich artig verabschiedet alles blitzeblank (!!) hinterlassen – es gab keinerlei Schäden. Auf dem Küchentisch lag ein Ring aus Bonbons gelegt und auf einem Zettel stand DANKE. Dadurch, dass die Asylbewerber so wenig vor Ort waren, gab es keinerlei Probleme mit Oberlichtenauern, da eine Begegnung auch kaum möglich war.

Mir gegenüber gab es heftige Diskussionen in Oberlichtenau, wie wir denn darauf kämen, solche Leute überhaupt zu nehmen?

2. Versuch:

Wir haben uns entschlossen, ab September 2015 wieder Asylbewerber aufzunehmen, diesmal mit dem klaren Wunsch, dass es sich um Christen oder ausgebombte Syrer handelt. Wir sind gespannt auf den 2. Versuch, schutzbedürftige Menschen wirklich zu integrieren und in die Vereinsarbeit mit einzubeziehen.